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Schätze aus der Chronikgruppe: Die Holzmeiersche Stiftung zur Weihnachtszeit

„Den evangelischen Armen der Gemeinde Oberbauerschaft vermache ich die Summe von fünftausend Thalern.“ So beginnt das im Jahre 1867 verfasste und 1873 eröffnete Testament von Caspar Heinrich Holzmeier, geboren am 11.10.1816 auf dem Hof Holzmeier Nr. 2 an der heutigen Kahle-Wart-Straße.

Er war kein Hoferbe und wanderte bereits in jungen Jahren nach Amerika aus. Im Norden Amerikas, insbesondere in Alaska, führte er – der Überlieferung nach – ein abenteuerliches Leben als Goldgräber. Die Mühen und Strapazen, die er auf sich genommen hatte, lohnten sich: er kehrte als reicher Mann in seine Heimat zurück. In den Sommermonaten lebte er auf dem elterlichen Hof in Oberbauerschaft, im Winter in Hamburg, wo er nach seinem Tode auch begraben wurde.

Sein Vermögen bestand aus rd. elftausend Thalern in Form von Staatspapieren, Obligationen und Schuldscheinen, die er entsprechend aufteilte.

Im Testament heißt es weiter: „Diese fünftausend Thaler sollen mit dem Ablaufe von zwei Monaten nach meinem Tode an die Gemeinde ausbezahlt werden und von dieser gegen Verzinsung und gehörige Sicherheiten belegt werden. Es ist mein Wille, dass die Zinsen dieser fünftausend Thaler alljährlich in der Woche vor Weihnachten an die evangelischen Armen der Gemeinde Oberbauerschaft unter Aufsicht des Amtsmannes durch den Vorstand und die Gemeindeverordneten gezahlt werden und dass bei Verteilung dieser Zinsen der Umstand unberücksichtigt bleiben soll, ob der Empfänger vielleicht schon auf eine andere Art durch die Gemeinde Oberbauerschaft unterstützt wird; weil ich durch obiges Vermächtnis nicht sowohl die Gemeinde Oberbauerschaft als solche bereichern und ihr die Erfüllung ihrer Verpflichtung gegen die Armen erleichtern, als vielmehr den „Hülfsbedürftigen“ der Gemeinde eine besondere Unterstützung neben der von der Gemeinde ihnen gewährten zufließen lassen will.“ Gleichlautend vermachte er eintausend Thaler der Stadt Lübbecke zum gleichen Stiftungszweck.

Aus seiner Familie bekamen zwei seiner Nichten jeweils einen Betrag von zweitausend Thalern. Zweihundert Thaler vermachte er direkt den evangelischen Armen der Gemeinde; abschließend ging noch eine Summe von eintausend Thalern an die Schule der Gemeinde Oberbauerschaft, wodurch zudem durch die Zinsen auch Mittel für die Anschaffung von Schulbüchern und Kleidung für die Kinder bedürftiger Familien geflossen sind. Diese Verteilung erfolgte durch einen gemeinsamen Beschluss des Lehrers, des Ortsvorstehers und der Gemeindeverordneten. Aus diesen Zinsen bekam zudem der jeweilige Lehrer einen Betrag von 5 Thalern jährlich. Testamentsvollstrecker war der Kaufmann Coesfeld aus Lübbecke.

Die Armut war seinerzeit unter den kleinen Leuten auf dem Lande weit verbreitet. Das häusliche Spinnen und Weben, das vielen Familien zusätzlich Verdienst gebracht hatte, war durch die aufkommende Industrialisierung dieses Gewerbezweiges zum Erliegen gekommen. Das Zigarrenmachen entwickelte sich zu der Zeit erst langsam.

So darf diese wohltätige Stiftung zu jener Zeit durchaus als ungewöhnlich anzusehen gewesen sein; der Großteil kam Bedürftigen in der Weihnachtszeit zugute.

Doch nach rd. 50 Jahren schrumpfte die Stiftung durch die Inflation der 1920-er-Jahre stark zusammen und bekam durch die Währungsreform nach dem Zweiten Weltkrieg den Rest. Sie wurde dann – sowohl in Oberbauerschaft als auch in der Stadt Lübbecke – aufgehoben.

Ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute für 2021 wünscht

Eure Chronikgruppe:

Christine Honermeyer und Dirk Oermann

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