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Schätze aus der Chronikgruppe: Einträge in die Familienbibel Anno 1887

In der Mitte des 19. Jahrhunderts war es üblich, dass man in der Familien-Bibel auch eine Chronik führte. Dort berichtete man über seine Vorfahren, die Eheschließung, die Geburt der Kinder oder auch über Sterbefälle in der Familie.  Und so tat dieses auch Heinrich Nierste aus Oberbauerschaft.

Er erblickte am 18. April 1850 in einem Heuerlingshaus, das zum Hof Oberbauerschaft Nr. 34 (heute Alter Salzweg 14) gehörte, das Licht der Welt. Sein Vater Heinrich Nierste (*1815), der als Heuerling auf dem Hof arbeitete, war ebenfalls dort geboren. Der Großvater Christian Nierste (1783-1852 ) war der Sohn des Hofbesitzers. Da aber sein jüngerer Bruder Franz erbte, blieb ihm nichts anderes übrig als Heuerling zu werden.

Heinrich war in Ueckendorf (Gelsenkirchen) bei der Zeche Alma als Bergmann tätig . Am 30. Juni 1875, dem 24. Geburtstag seiner Braut Anna Maria Kleinemeier,  feierten sie Verlobung. Da seine Braut aus Hüllhorst stammte und seine Eltern mittlerweile auch dort wohnten, wurde am 4. November zuerst standesamtlich im Hüllhorster Amtshaus geheiratet und dann kirchlich in der Hüllhorster Kirche.

Danach sind sie nach Ueckendorf gezogen und haben dort einen Hausstand gegründet. Ein Haus hatte Heinrich schon im Laufe des Jahres 1875 zusammen mit seinem Schwager Ludwig Stallmann (Ehemann der Schwester Luise) gebaut. In den ersten Ehejahren wurden ihnen sechs Kinder geboren. Erst kamen vier Jungs und dann folgten zwei Mädchen. Zwei der Jungs starben im Kleinkindalter.

Über das Jahr 1887 berichtet Heinrich Nierste folgendes: Die Arbeit in der Kohlengrube konnte ich nicht mehr aushalten. Da haben wir uns entschieden in die Heimat zu verziehen. Am 4. April haben wir uns aufgemacht, sind nach Oberbauerschaft gezogen und wohnen bei Colon Niedermeier Nr. 14 (heute Buchenweg 6a) als Heuerlinge.“ Weiter heißt es: „Am 24. Juni 1888 wurde uns Anna geboren. Das Jahr 1889 ist an uns vorüber gegangen ohne das wir uns beklagen brauchten. Gesund und munter sind wir in das Jahr 1890 eingetreten. Am 11. Mai schenkte uns der liebe Gott ein Söhnlein. Er ist auf den Namen Karl getauft worden. Am 4. Juni starb unser Töchterlein Anna an Stickhusten. Freud und Leid wechseln.“

Danach zog die Familie nochmal um, wie im folgenden berichtet wird. Auch gab der Chronist Auskunft über die Wetter- und Ertragslage in Oberbauerschaft.

„Am 1. Oktober 1890 sind wir wieder umgezogen und zwar zu Colon Nierste Nr. 34 (heute Alter Salzweg 14). Nun bin ich wieder als Heuerling auf meiner Geburtsstätte angekommen. Ob es auch mein Sterbeort sein soll? Ich weiß es nicht, Gott weiß es. Es sei noch bemerkt, der Sommer 1890 hatte sehr viel Regen. Von Ostern an jeden Tag Regen bis Juli. Da war der Roggen an vielen Stellen ausgewachsen. Aber wenn die Not am größten ist, dann ist die Hilfe am nächsten. Mit einem Male gab es gutes Wetter und wir hatten die beste Ernte. Aber durch den vielen Regen waren die Kartoffeln schlecht geraten. So mussten in unserer Gegend viele tausend Zentner angekauft werden. Am 25. November frohr es dann zu und Neujahr 1891 hat es noch nicht nachgelassen.“

Er berichtet weiter, dass 1891 auch ein nasser Sommer war und so wurde der Anfang des Jahres 1892 bitter infolge der schlechten Ernte. Aus der Nachbarschaft berichtet er, dass Nierste und Hoffmann ihr neues Haus gebaut haben und es am 9. Juli gerichtet wurde. Die Ernte aus dem Sommer war außerordentlich. Der Roggen war gut und die Kartoffeln sehr gut.

„Gesund und munter haben wir das Jahr 1893 angetreten. Dieses Jahr ist an uns vorrüber gezogen, ohne dass etwas ungewöhnliches passierte. Das Jahr 1894 ist wieder bemerkenswerter. Unser Haus in Ueckendorf haben wir am 1. Mai verkauft. Die Stelle, wo ich in meiner Jugend so viel Hoffnung anknüpfte, ist wieder fort. Wir haben vom Colon Franz Niedermeier Nr. 45 (heute Alte Str. 165) in Oberbauerschaft einen Acker gekauft. Vier Morgen, 25 Ruten und 50 Fuß groß. Dafür haben wir 1240 Reichstaler und 25 Silbergroschen bezahlt. Wir sind dann bei unserem Haus angefangen und haben es 1894 noch unter Dach gebracht. Im Sommer 1895 sind wir in unser neues Heim eingezogen. Wir haben die Nummer 139 (heute Im Hellsiek 34) erhalten und sind auf der Stelle angekommen, wo wir unser Leben beschließen sollen.“

Vorne sehen wir Anna Maria und Heinrich Nierste zusammen mit dem jüngsten Sohn Karl. Hinten stehen die anderen Kinder (v.l.): Friederike, Luise, Hermann und Heinrich. Das Foto ist um 1902 entstanden und 2021 koloriert worden.

Heinrich Nierste lebte mit seiner Familie noch lange Jahre auf seiner Stätte. Seine Frau starb 1920 und er folgte ihr 1931. Ihr ältester Sohn Heinrich (1876-1926) wurde Maurer und lebte in Lübbecke. Sohn Hermann (1882-1946) wurde auch Maurer und lebte in Bielefeld. Da der Hoferbe Karl (1890-1914) im Ersten Weltkrieg gefallen war, kehrte Hermann aber zurück und übernahm die väterliche Landwirtschaft. Tochter Luise (1884-1969) blieb auch in Oberbauerschaft und heiratete Heinrich Wölker. Sie bauten das Haus Nr. 171 (heute Niedringhausener Str. 108) und betrieben dort eine Zigarrenfabrik. Tochter Friederike (1886-1922) heiratete den Zigarrenarbeiter Heinrich Oermann. Sie blieben ebenfalls in der Region Hüllhorst.

Gerda Nierste (1914-2009), Hermanns Tochter und Heinrichs Enkelin, hat die Stätte übernommen. Sie war mit dem Oberbauerschafter Karl Thüner (1910-1985 ) verheiratet und hatte seinerzeit die Bibel einem Nachkomme von Friederike Nierste ausgeliehen. Sie lebte viele Jahrzehnte im Hellsiek.

Eure Chronikgruppe: Christine Honermeyer und Dirk Oermann

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